11.12.2012
Noe 24 - Der junge Bruder
Schützende Bäume im Rücken, sassen Noe und Micha
auf einer Bank am Rande eines bewaldeten Abgrundes. Vor ihren Augen lagen die
Hügelzüge wie Wellen hintereinander, wurden mit wachsendem Abstand immer höher,
um endlich in die Umrisse ferner Gebirge zu münden. Deren kantige Gipfel waren verwischt
vom Abenddunst, welcher dem herbstlich dampfenden Land entstieg und der
sinkenden Sonne sanft die Strahlkraft entzog. Gleich daneben erstreckte sich
ein weites Feld, frisch bereitet für die nächste Saat. Noe sah die aufgewühlte
Erde als Zeichen der Zukunft, Micha die verlorene Wiese der Jugend, der er soeben
entwachsen war. Im sich neigenden Tag funkelte das Licht, wo immer es Widerschein
fand. Es schien sich mit dem Gesang der Glocken zu verbinden, der aus allen
Kirchtürmen der Umgebung brandete. Obwohl in Gedanken versunken, jeder unterwegs
in den Gängen gelebten Lebens, verband Micha und Noe eine gemeinsame Gegenwart,
unterstrichen durch ihr gleichförmiges Gewand. Als sie nun ihr Abendgebet
anstimmten, wurde es eins mit allem, was sie umgab. Sie teilten den Augenblick des Einverstandenseins, abgeschnitten von Zweifeln, Zeit und
Wollenmüssen. Es war ein Traum von Liebe, von Freiheit und Gemeinschaft. Ohne
ineinander verschmelzen zu müssen. (21.10.12)
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