Manchmal gleicht das Leben einem Streifzug durch den
Wald. Freunde aller Lebenszeiten stehen da als Bäume, jeder für sich allein und
dennoch mit im Ganzen. Weit oben berühren sich die Kronen, in der Tiefe sind die
Wurzeln dicht verwoben. Jeder stützt den andern. Nun, in alten Tagen, welken
sie und fallen, immer enger wird der Takt. Sie entgleiten der Umarmung, die
über Jahrzehnte so natürlich war, dass man sie im Alltag aus dem Blick verlor. In
Stille lichtet sich das Wurzelwerk und mit jedem dieser Bäume – stirbt ein Teil
von dir.
23.09.2017
"Weniger
isch meh"
Es gab Zeiten, in denen mir das Selbstbewusstsein
fehlte, besser oder schlechter überspielt. Allmählich kehrte der Blick nach
aussen. Ich wurde zum feurigen Krieger und Rivalen, wollte andere belehren. Fantasien
der Macht. Diesen folgte der Sturz in Zweifel und Grenzen. Bezugslos wirbelten Sinn
und Zweck durch die Gedanken. Kämpfe für nichts, Hirngespinste,
Selbstversklavung und am Ende die Erkenntnis, wie wenig ich bewegte,
wie klein ich war. Ich lernte, mir trotz Zweifeln treu zu bleiben. So wurde die
lähmende Angst zur beflügelten Wissbegier. Ideologien zerfielen, Kategorien
verblassten, Absolutes verlor den Reiz, was Raum für Bewegung schuf, in der das
Denken sich entfesseln liess. Neue Sichtweisen machten den Lehrer zum Begleiter
und eine unbekannte Langsamkeit verschlang die Zeit. Einfache Taten lösten
Drang und Wollen ab, wiesen den Weg in den Garten des Lebens. Wieder lernte ich
zu schauen, diesmal dem Geschehen seinen Platz zu lassen, allem Wachsenden
seine Zeit und mir selbst die Leere, die es brauchte, um diese Fülle aufzunehmen.
01.11.16
01.11.16
Missionare
Je lauter einer seinen
Glauben verkündet, andere zu überzeugen sucht, desto mehr zeigt sich, wie
wankend er nach Anerkennung giert und Sicherheit. Glaubensfragen gehören zur
tiefsten Innerlichkeit eines Menschen. Darüber spricht keiner so leicht, es sei
denn, er habe sich selber zugrunde gerichtet und dabei jede Scham verloren.
16.09.16
Noe 29 – Gott und der Tellerrand
Etwas fahrig
begründete ihm der Besucher, weshalb er Gott verstiess und Religion für sinnlos
hielt. Noe hatte damit keine Mühe, im Gegensatz zu seinem fiebernden Gast. Für eine
Erwiderung brauchte Noe Zeit. Er bat den Aufgewühlten, innezuhalten, um vor dem
Haus gemeinsam den Geräuschen der Nacht zu lauschen. Sie hörten das Wispern der
Bäume im warmen Wind, aufgeschreckte Vögel hier, knackende Äste dort und
summende Insekten. Behutsam brach Noe das Schweigen: Um Gott zu suchen, hob er
an, müsse keiner an ihn glauben. Gott sei eine Frage, nicht beweisbar mit Antworten,
die ihn nur klein und absehbar machten. Sie lägen beide so falsch wie richtig, wenn
sie gegenseitig Gott behaupteten oder widerlegten. Dieser könne so mächtig sein,
wie ohnmächtig oder gar nur das Geschöpf der menschlichen Wünsche. Nehmen wir
an, fuhr er fort, die Menschen hätten Gott als eine Art Fluchtpunkt gesetzt, ausserhalb
des Tellerrandes, den sie kaum je überblickten, erfüllte er schon dadurch seinen
Sinn, dass er die Ausdehnung des Denkens in unbekannte Räume ermöglichte. Viele
Gläubige aller Kulturen hätten, mit Blick auf ihr Gottesbild, grundlegende
Gedanken hinterlassen. So teile er, was einst ein anderer schrieb: „Wenn es
Gott nicht gäbe, müsste man ihn erfinden“. Und Noe zitierte den Meister der
Christen, „…mein Reich ist nicht von dieser Welt“, dabei würde er selber
bleiben, bis er wisse, was diese wirklich sei.
13.08.16
Leben stirbt!
Als ich dem Tod von der
Schippe fiel, fanden einige Gescheite, es wäre noch nicht an der Zeit gewesen,
ich hätte wohl Lücken auszugleichen, den Lebensauftrag nicht erfüllt. Danke. Woher
wussten sie das? Woran dachten sie? Dass sie mich weiter zur Verfügung haben
wollten, für Dinge die ihnen dienlich waren? Statt Fragen zu stellen oder
einfach zu schweigen, erzählten sie ihre Sicht. Ausdruck der eigenen
Ratlosigkeit und Ohnmacht. Vielleicht, um der blanken Wirklichkeit zu
entfliehen, die untergründige Todesangst auszublenden? Erkennen sie ihre eigene
Angst im Anderen und wollen sie teilen? Was aber, wenn dieser Andere keine
verspürt?
Auch wenn einer stirbt, betrauern
wir nicht den Toten, sondern den eigenen Verlust.
16.11.15
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