08.03.2011

Schwärmerei im Löwenkäfig

Einer hatte sich unter dem Titel "Menschlichkeit" dem „Guten“ verschrieben, einem Entwurf aus fremden Quellen und er lebte ihn mit Nachdruck. So konnte es geschehen, dass jene, denen er seine beschwörende Liebe schenkte, sich bemüssigt fühlten, neu und anders lieben zu müssen. Die Liebe wurde erniedrigt zur Forderung, das "Gute" geriet zur Gewissenskeule und freie Gefühle erstickten im "gütigen" Zwang. So einseitig geht das nicht. „Menschlichkeit“ umfasst alles, was uns eigen ist, auch die Schattenseiten und den steilen Grat zwischen "Gut" und "Böse"? Unvergessen, wie vor Jahrzehnten ein Lied von Konstantin Wecker meine Mitte traf:
… Ich möchte etwas bleibend Böses machen
will in die Schluchten meiner Seele ziehn.
Das ganze Leben ist doch nur Erwachen
 aus bösen Träumen. Und ich will nicht fliehn. …
Dies‘ zu hören, war erlösend und befreite davon, immer nur „gut“ sein zu müssen.
Und nun, fast 40 Jahre später? "Gut" und "Böse" sind Eckpunkte eines Gesellschaftsvertrages. Jederzeit kann er hinfällig, aufgelöst oder missbraucht werden. Seine Begriffsinhalte ändern sich mit den Generationen, dem Zeitgeist, den Machtgelüsten und Bedürfnissen. In diesen Wellen verlieren sich Recht und Unrecht gleichermassen, wie “Gut“ und „Böse“ sich verschieben. Dabei kann jeder Opfer werden oder Täter und die Gewalt der Volksmehrheit so vernichtend sein, wie die eines Tyrannen. Nichts führt mehr zu Krieg und Elend, als die Meinungen über das "Gute" und der Wahn, im Besitze der "Wahrheit" zu sein.