25.05.2010

Jesus im Kaninchenstall

Jesus von Nazareth war nicht von gestern. Er suchte Auswege und Fortschritt. Sonst wäre ihm keiner gefolgt. Franz von Assisi hätte keine Freunde gefunden, ohne seinen Blick nach vorne. Aus der Glut ihrer Leidenschaft verbrannten sie für ihre Werte und setzten sich über die Regeln hinweg.
Warum sträuben sich Christen gegen den Fortschritt und behaupten, damit in der Nachfolge Christi zu stehen? Wer diese Nachfolge antritt, muss aufbrechen und loslassen. Unsere Heilsverwalter aber kleben an Überlieferungen, sind meist eingesperrt in geschlossene Gedankenräume und Rangordnungen. Wohlgenährte, angstgelähmte Krämerseelen, die sich in ihrer Gesetzeskirche gegenseitig ihre Richtigkeit beteuern. Im Elfenbeinturm wird festgeschrieben, was nicht festzuhalten ist. Unter der Decke feierlicher Gemeinschaftsseligkeit wuchsen Glaubenswahrheit, Schuld und Sühne, Verkündigungsauftrag, Drangsalierung des Gewissens und gerade soviel Feigheit wie Berechnung. Diese Verwalterseelen haben das Feuer längst verloren und umkreisen ihre Fahnenstangen. Abgesicherte Kleinbürgerlichkeit im Grossformat. Was soll daran christlich sein? Ausser der Fahne - nichts. Gefragt wäre das Weitertragen der Glut und nicht die Anbetung der Asche.

19.05.2010

Noe 17 – Wörterei

Noe's Gang auf der Spur der Mönche war steinig. Er folgte seinen Empfindungen, die er nicht begründen konnte. Die Kirche hatte ihn als gebranntes Kind in die Wüste geschickt und sein inneres Begehren stand im vollendeten Gegensatz zu seinem Gesellschaftsbild. Noe war zerrissen, wie ein gebrochener Baum im Sturm, und was er nun wollte, erforderte seinen ganzen Mut. Wo konnte er beginnen? Vielleicht boten seine Augenblicke schweigenden Seins, welche er nun lange geübt hatte, einen Zugang zu dieser Welt, von der er so angezogen war. Also öffnete er dieses Tor. Dahinter erstreckte sich keine Weite, aber Berge von Texten und Gebeten verstellten den Weg. Noe ging davon aus, dass Gott weder Schreibzeug kannte, noch eine Druckerei besass und pflügte sich verärgert durch den Wust der Schriften. Schliesslich gelangte er zum Rosenkranzgebet, welches sich, dank seiner Einförmigkeit und Gesangesnähe, mit seinem schweigenden Innehalten gut verbinden liess. Dass sich Noe dabei an den Worten stiess, lag auf der Hand. Mit Respekt und doch ungehemmt begann er die Gebete neu zu schreiben, damit sie ihm vertretbar wurden und er so zu alten Zeilen neuen Zugang fand. Er entdeckte, dass es nicht Neues zu schöpfen galt, sondern Vorhandenes neu zu denken. Im Vergleich seiner Lebenssicht mit alten Quellen zeigte sich, ob das Neue bestehen konnte oder nicht. Damit liess sich die zeitgeistige Beliebigkeit verhindern, welche ihre Fragen nur nach den erwünschten Antworten stellte.

18.05.2010

Noe 16 - Zwischenträume

"Ich glaube an nichts", hörte Noe häufig. Er pflegte dann zu fragen, was hundert Franken seien und erhielt billige Antworten. Eine Banknote hatte ja keinen Wert und war Eigentum der Nationalbank. Sie war der Ausweis des Glaubens, dass jemand auf dieser Welt bereit war, für ein lächerliches Stück Papier eine Gegenleistung zu erbringen. Und die Liebe? Bestand sie nicht ausschliesslich aus Absicht und Glauben? Allen voran jene Liebe, die wir tief in unseren Herzen trugen, die Sehnsucht nach dem Vollkommenen und der Geborgenheit? War sie nicht ein Traum, baute auf Hoffnung, wurde mit Erwartungen überladen und zerbrach oft lange bevor sie wirklich trug? Wenn Noe etwas glaubte, ordnete er seine Fragen und begab sich auf den Weg. Oder er hielt ein, um zu betrachten, was um ihn und in ihm selbst geschah. Neidlos konnte er den Atheisten zugestehen, dass sie eine schlüssige Antwort besassen, die jedoch so wenig zu beweisen war, wie der Inhalt der Leere, nach dem Noe suchte. Die Bandbreite dieser Unvereinbarkeit nährte Noe's Neugier und liess ihn nicht mehr los.

Seelenfressen

Langsam legt sich Nebel auf die Seele, ertrinkend droht sie zu verdursten, du verschliesst die Augen, hoffst auf Licht, erkennst die Dinge und willst sie nicht.

05.05.2010

Ebbe und Flachland

Wenn wir seine Bücklinge loben, statt den Mut zum eigenen Weg, seine Ritterlichkeit belächeln, derweil wir selber mutlos sind, seine Träume in Grund und Boden reden, ihn an unserem langen Leben messen, seine Eigenständigkeit verhöhnen, ihn sanft erpressen und verwöhnen, alles zu verstehen meinen und selber nur nach Sorgenfreiheit dürsten … was, bitte, soll ein junger Mensch schon tun, wenn da wo er lebt, jede Aufbruchstimmung fehlt.