Manchmal gleicht das Leben einem Streifzug durch den
Wald. Freunde aller Lebenszeiten stehen da als Bäume, jeder für sich allein und
dennoch mit im Ganzen. Weit oben berühren sich die Kronen, in der Tiefe sind die
Wurzeln dicht verwoben. Jeder stützt den andern. Nun, in alten Tagen, welken
sie und fallen, immer enger wird der Takt. Sie entgleiten der Umarmung, die
über Jahrzehnte so natürlich war, dass man sie im Alltag aus dem Blick verlor. In
Stille lichtet sich das Wurzelwerk und mit jedem dieser Bäume – stirbt ein Teil
von dir.
23.09.2017
"Weniger
isch meh"
Es gab Zeiten, in denen mir das Selbstbewusstsein
fehlte, besser oder schlechter überspielt. Allmählich kehrte der Blick nach
aussen. Ich wurde zum feurigen Krieger und Rivalen, wollte andere belehren. Fantasien
der Macht. Diesen folgte der Sturz in Zweifel und Grenzen. Bezugslos wirbelten Sinn
und Zweck durch die Gedanken. Kämpfe für nichts, Hirngespinste,
Selbstversklavung und am Ende die Erkenntnis, wie wenig ich bewegte,
wie klein ich war. Ich lernte, mir trotz Zweifeln treu zu bleiben. So wurde die
lähmende Angst zur beflügelten Wissbegier. Ideologien zerfielen, Kategorien
verblassten, Absolutes verlor den Reiz, was Raum für Bewegung schuf, in der das
Denken sich entfesseln liess. Neue Sichtweisen machten den Lehrer zum Begleiter
und eine unbekannte Langsamkeit verschlang die Zeit. Einfache Taten lösten
Drang und Wollen ab, wiesen den Weg in den Garten des Lebens. Wieder lernte ich
zu schauen, diesmal dem Geschehen seinen Platz zu lassen, allem Wachsenden
seine Zeit und mir selbst die Leere, die es brauchte, um diese Fülle aufzunehmen.
01.11.16
01.11.16
Missionare
Je lauter einer seinen
Glauben verkündet, andere zu überzeugen sucht, desto mehr zeigt sich, wie
wankend er nach Anerkennung giert und Sicherheit. Glaubensfragen gehören zur
tiefsten Innerlichkeit eines Menschen. Darüber spricht keiner so leicht, es sei
denn, er habe sich selber zugrunde gerichtet und dabei jede Scham verloren.
16.09.16
Noe 29 – Gott und der Tellerrand
Etwas fahrig
begründete ihm der Besucher, weshalb er Gott verstiess und Religion für sinnlos
hielt. Noe hatte damit keine Mühe, im Gegensatz zu seinem fiebernden Gast. Für eine
Erwiderung brauchte Noe Zeit. Er bat den Aufgewühlten, innezuhalten, um vor dem
Haus gemeinsam den Geräuschen der Nacht zu lauschen. Sie hörten das Wispern der
Bäume im warmen Wind, aufgeschreckte Vögel hier, knackende Äste dort und
summende Insekten. Behutsam brach Noe das Schweigen: Um Gott zu suchen, hob er
an, müsse keiner an ihn glauben. Gott sei eine Frage, nicht beweisbar mit Antworten,
die ihn nur klein und absehbar machten. Sie lägen beide so falsch wie richtig, wenn
sie gegenseitig Gott behaupteten oder widerlegten. Dieser könne so mächtig sein,
wie ohnmächtig oder gar nur das Geschöpf der menschlichen Wünsche. Nehmen wir
an, fuhr er fort, die Menschen hätten Gott als eine Art Fluchtpunkt gesetzt, ausserhalb
des Tellerrandes, den sie kaum je überblickten, erfüllte er schon dadurch seinen
Sinn, dass er die Ausdehnung des Denkens in unbekannte Räume ermöglichte. Viele
Gläubige aller Kulturen hätten, mit Blick auf ihr Gottesbild, grundlegende
Gedanken hinterlassen. So teile er, was einst ein anderer schrieb: „Wenn es
Gott nicht gäbe, müsste man ihn erfinden“. Und Noe zitierte den Meister der
Christen, „…mein Reich ist nicht von dieser Welt“, dabei würde er selber
bleiben, bis er wisse, was diese wirklich sei.
13.08.16
Leben stirbt!
Als ich dem Tod von der
Schippe fiel, fanden einige Gescheite, es wäre noch nicht an der Zeit gewesen,
ich hätte wohl Lücken auszugleichen, den Lebensauftrag nicht erfüllt. Danke. Woher
wussten sie das? Woran dachten sie? Dass sie mich weiter zur Verfügung haben
wollten, für Dinge die ihnen dienlich waren? Statt Fragen zu stellen oder
einfach zu schweigen, erzählten sie ihre Sicht. Ausdruck der eigenen
Ratlosigkeit und Ohnmacht. Vielleicht, um der blanken Wirklichkeit zu
entfliehen, die untergründige Todesangst auszublenden? Erkennen sie ihre eigene
Angst im Anderen und wollen sie teilen? Was aber, wenn dieser Andere keine
verspürt?
Auch wenn einer stirbt, betrauern
wir nicht den Toten, sondern den eigenen Verlust.
16.11.15
11.09.2015
AllEinsiedlerSeufzen
Gott, mein Gott,
Ziel meiner Fragen,
Türe die wegführt
aus der Enge des Seins,
Entwurf eines Lebens,
das grenzenlos lebt
und sich verschenkt.
Ich kann dich denken
antwortlos träumen,
erhoffen, lieben,
ablehnen,
verdammen,
nur fassen …
kann ich dich nicht.
29112012
Noe 28 – der Narr
Noe konnte
selbstvergessen wütend werden, flammend kämpfen und liess sich ein, ohne Angst
vor möglichen Verlusten. Wer dann den erhabenen, gleichmütigen Weisen sehen
wollte, fand ihn nicht und war enttäuscht. Noe ging es nie um Weisheit. Er
wollte Wahrnehmung und Leidenschaft in allem. Wie viele Strohfeuer der
Weltverbesserung hatte er schon gesehen, die nur dem eigenen Trost und Wohle
dienten und so zusammenfielen? Und all‘ die Blender und Wunschkanonen, denen er
begegnet war, von denen er sogleich wusste, wie und woran sie scheitern würden?
Erneuerung konnte nur mit ständiger Glut gelingen, mit beharrlicher Treue, eigener
Veränderung und Selbstlosigkeit. Diese wuchs aus der Hingabe, ungesichert und
weit entfernt vom Streben nach Eigennutz. Mit seiner Leidenschaft, Wut und Verletzlichkeit geriet Noe oft zum Narren im
Kreise der Braven, dem er so entwischte.Mitte2014
Ora et labora?
Es sind nicht zwingend religiöse Gründe, die
einen Menschen ins Kloster führen. Auch die Erkenntnis, dass in unserer
Gesellschaft das Materielle alles Leben knechtet, statt ihm zu dienen, reicht
dafür aus. Keiner will das und alle machen mit. Der Ausstieg aus diesem Tunnel
verlangt Entschiedenheit. Ankämpfen, also vom Gegner weiter mitbestimmt, oder
sich entziehen? Grosse Ordensgründer stellten sich diese Frage auch in ihren
Tagen und wandten sich angewidert ab von der Gier ihrer Zeit. Sie verweigerten
das Spiel, suchten den Geist und neue Wege, weit über ihr Leben und Bedürfnis
hinaus. Ich kenne Mönche und Nonnen, denen Religionen, Rituale und Kirchen nur
als kulturelle Werkzeuge dienen, als rückwärtige Bezugspunkte, um sich im
Neuland nicht zu verlaufen. Den Traum vom ewigen Glück nach dem Tod teilen sie
nicht. Sie haben ein Leben voller Zwänge hinter sich gelassen und werden sich
keinem neuen Druck mehr beugen. Sie üben die Freiheit, die durch ein
ausgewogenes Verhältnis zwischen gewählter Selbsteinschränkung und freier
Entscheidung möglich ist. Solche Menschen können die Welt verändern, weil sie
ihr nicht hörig sind. Die Kirchen misstrauen ihnen zutiefst, obwohl an ihren
Anfängen solche Leute standen. Diese aber finden sich in bester Gesellschaft:
Abgesehen von Jesus und vielen anderen, gab es da die Wüstenväter, Benedikt von
Nursia und Franz von Assisi. Ein tiefer Blick zurück in die Geschichte
kann durchaus in die Zukunft weisen.
09092015
09092015
Held
Zu weit hast du
gesucht,
die halbe Welt
verflucht
und nicht geschaut,
was sich in dir
zusammenbraut.
Nun, in tiefster Nacht,
Nun, in tiefster Nacht,
liegst du da, geschlagen
und von Angst bewacht.
26072015
Kontaktabzeige
Alt, jung, Mann oder Frau,
krank, gesund, stino und schwul,
herzlich und cool?
Von Kategorien umhüllt,
ganz still,
wohnt am verborgenen Ort
die Freiheit
die nach draussen will.
Ein Hauch nur - und Geist.
Ich brauche Menschen.
Keine Spiele, keine "Kisten",
auch keine Abenteuer.
Ein Stück Umweg vielleicht,
um die Zweifel zu teilen,
denn die Autobahn
ist mir nicht geheuer.
2001
Wohlgelogen
Wir sind freundlich, taktvoll,
tolerant, gerecht und verstehen einander. Ich habe den Eindruck, dass dies zu
Fratzen führt, von denen wir uns nicht mehr trennen können. Gefrorenes Lächeln,
kristallisierte Freundlichkeit. Die Sucht, sich ansprechend darzustellen, keine
Fehler zu machen und mindestens seinesgleichen geduldig zu schonen, ist eine billige
Masche, um sich selber besser zu fühlen, als man es ist. Harmonie um jeden
Preis, durchorganisiert und festgelegt. Freudestrahlend tappen wir in die Falle
der Verlogenheit. Nein, da gibt es keine Farben, keine Wut, wir reden schön und
gepflegt. Eine Schicht tiefer finden wir unterdrückte Gefühle,
zusammengefaltete Gedanken. Falsche Schlüsse schiessen ins Kraut und die verstellte
Sicht macht blind. Vorne herum Strahlenkranz und Kumpanei, dahinter Ignoranz, Geplapper
und Intrigen. Die Konflikte sind gedeckelt, schwelen im Seelenkeller und werden
zu hassgrünem Gift. Mitte2014
22.08.2015
Noe 27 – Nacht
Er weinte nicht Trauer, noch Angst.
Es war das Sehnen nach Freiheit,
Erlösung zu finden,
in Leben und Tod zugleich.
"Freund, lass‘ mich schlafen,
bis die Gedanken zerfliessen,
die Träume verwehn,
der Atem erwacht."
21082015
21082015
20.08.2015
Von Kloaken und Bergseen
Weder die alten, noch die neuen Religionen
bringen Aufbrüche. Nur Vollzug. Sie tummeln sich, in kleinbürgerlichem Einvernehmen,
im Schatten ihrer Vorbilder, aber nicht in deren Licht. Biederkeit gebiert keine
randlosen Zukunftsträume und ohne solche sind Religionen sinnlos. Also herrscht
eine verschworene Erhaltungsmentalität, in der die Gläubigen sich gegenseitig
in Einfalt bestärken: Zuschütten statt aufdecken, „Gott“ erträglich „machen“,
um dem letztgültigen Alleinesein zu entfliehen. Zu viele Antworten lähmen ihre
Köpfe, um noch fragen zu können. Eingliederung statt Freiheit, wo doch freier Geist
das Leben umwehen müsste. Wahrhaft suchende Menschen brauchen keine Zeigefinger,
pfeifen auf geistliche Mütter und Väter. Sie ordnen ihre Fragen, entwickeln
erfüllende Wege ohne aufgeblasenes religiöses Gelaber oder herangeweihte Hierarchien,
die meinen, die vielen Wege zur Fülle der Leere liessen sich bändigen und stilisieren.
Die einsamen Pfade dieser mutigen Wanderer lassen sich nicht packen. Sie sind
zu tief und lassen viel „Bewährtes“ hinter sich. Ihre Gedanken führen in die
Freiheit, meiden die stinkenden Tümpel geistigen Nasenschleimes. Sie setzen
sich ungemütlichen Entdeckungen aus, die an den Grundfesten des Lebens rütteln
und die kranken Trost-, Heils- und Sicherheitskonzepte hinter sich lassen.
2014
2014
24.07.2015
Wahristen
Bitte keine Lichtsäulen, keine magischen Formeln und Geistertänze. Weder kenne ich verfluchte
Plätze, Erdstrahlen oder Wasseradern, noch spiele ich mit Pendeln, Kristallen und
Wahrsagerei. Einen Guru braucht es nicht, keine Vordenker oder Meister, weg von
diesem Scheibenkleister. Keine fremden Federn auf mein Haupt. Ob „gut“ oder „schlecht“,
die „Energien“ fliessen mir am Arsch vorbei. Da mogeln sich Kleingeister zu erlauchten
Wissenden empor, sonnen ihre Belanglosigkeit im Abglanz der Verblendung, verkaufen ihren Glauben als Wahrheit und walzen "achtsam-sensibel" ihr gesamtes Umfeld in Grund und Boden. Nein, so steck' ich meinen Kopf nicht in den Sand, brauche keine Instanzen, jage weder nach Glück
noch Sinn, suche keine Antworten, die es nicht gibt und falls
doch, zu fadenscheinig sind. Ich mag ihn nicht, diesen erzkonservativen
esoterischen Kitsch mit seinem penetranten Fliederduft, der Nabelschau, dem erhobenem Zeigefinger und seiner vormittelalterlichen "Theologie". 16072015
23.07.2015
Denn sie wissen nicht, was sie tun
„Wenn sie rauchen,
sterben sie früher“, ...
... steht da auf meiner Zigarettenschachtel. Na und? Warum nicht? Muss es immer mehr, länger, besser und gieriger sein, jede Sekunde Leben raffen? Genauso lässt sich sagen: "Wenn sie nicht rauchen, sterben sie später und mit hohem Risiko, dass dies in Raten geschieht. Schmerzen überall, Verlust der geliebten Menschen, Medikamentenberge, Sicht- und Höreinschränkungen, Rollatorprobleme, Altersheimgeschubse, Inkontinenz, Bewegungseinschränkungen, vielleicht auch noch Alzheimer, Bevormundung und andere Baustellen". Das hiesse dann: ...
... „Wenn sie nicht rauchen, sterben sie länger“.
19032015
... steht da auf meiner Zigarettenschachtel. Na und? Warum nicht? Muss es immer mehr, länger, besser und gieriger sein, jede Sekunde Leben raffen? Genauso lässt sich sagen: "Wenn sie nicht rauchen, sterben sie später und mit hohem Risiko, dass dies in Raten geschieht. Schmerzen überall, Verlust der geliebten Menschen, Medikamentenberge, Sicht- und Höreinschränkungen, Rollatorprobleme, Altersheimgeschubse, Inkontinenz, Bewegungseinschränkungen, vielleicht auch noch Alzheimer, Bevormundung und andere Baustellen". Das hiesse dann: ...
... „Wenn sie nicht rauchen, sterben sie länger“.
19032015
Leer geschluckt
Es folgten keine
Taten.
Du hast sie alle
eingelullt.
Ich brauchte nur zu
warten.
Andern gabst du dann
die Schuld.
29082014
Absage, kurz und klar:
Mein Leben
ist weder Pauschalreise,
noch Meinungsumfrage.
Auch kein Wunschkonzert.
10032015
ist weder Pauschalreise,
noch Meinungsumfrage.
Auch kein Wunschkonzert.
10032015
"Politcal Correctness?" - Maskenball
„Political Correctness“
ist ein Schlagwort. Ein Totschläger. Eine politisch korrekte Aussage misst sich
daran, was die Mehrheit der jeweils Anwesenden gerade für richtig hält. Je nach Umfeld
wird einer für seine Aussage geächtet und seine Integrität steht in Frage. Ob
meine Aussagen politisch korrekt sind oder nicht, interessiert mich nicht. Ich
bin kein Schaf, denke, fühle und handle politisch im eigenen Namen und werde
mich dafür bei keiner ideell gekämmten Herde entschuldigen. Meinen „Junkie“
mache ich nicht zum „Drogengebrauchenden“ und in den Texten hüte ich mich, auf beide
Geschlechter hinweisen und so die gestandene Sprache dem Zeitgeist zu opfern. Worte
sind wichtig aber nicht entscheidend. Mit ihnen lässt sich spielen, sie sind
dehnbar wie Honig, verdreh- und missbrauchbar. Eine innere Haltung drückt sich verbindlich
erst in der Handlung aus, dem gelebtem Respekt vor anderem Leben und anderen
Grenzen. Wer das regulieren muss, sollte über die Bücher gehen, hat vermutlich diesen Grundrespekt zum anderen verloren und gebärdet sich deshalb so
feinverlogen, richtigkeitsbeseelt. Darum habe ich wohl bei solchen Menschen fast immer
das Gefühl, dass sie irgendwelche Götzen bekriechen und andere Menschen missachten.
10052015
Jünger
Der Papst trägt die Titel Bischof
von Rom, Stellvertreter Jesu Christi auf Erden (Vicarius Christi), Nachfolger
des Apostelfürsten (Petrus) , Oberster
Priester der Weltkirche, Pontifex maximus (oberster
Brückenbauer), Primas von Italien, Metropolit und Erzbischof der
Kirchenprovinz Rom, Souverän des Staates der Vatikanstadt, Diener der Diener Gottes (servus servorum
dei), Patriarch des Abendlandes (entfernt)
und wird angesprochen mit „Seine Heiligkeit“. Er hat einen Papstthron (der
einzige vierbeinige Heilige der Katholischen Kirche: Der Heilige Stuhl),
trägt die Tiara, eine dreifache Krone, stützt sich auf den päpstlichen
Hirtenstab, der Fischerring steckt an seiner rechten Hand u.v.a.m.
Nun zum Wesentlichen: Sein Chef, Auslöser dieses ganzen Rattenschwanzes der Macht und Eitelkeit, hiess Jeschua, war der Sohn eines Schreiners und scheint ein mittelloser Wanderprediger gewesen zu sein.
Nun zum Wesentlichen: Sein Chef, Auslöser dieses ganzen Rattenschwanzes der Macht und Eitelkeit, hiess Jeschua, war der Sohn eines Schreiners und scheint ein mittelloser Wanderprediger gewesen zu sein.
02.02.2015
ES
Wenn du grosse Worte
liest,
achte auf die Zwischenräume.
Und wenn du Bilder
siehst,
betrachte sie danach
im Dunkeln.
Klingt Musik in deinen
Ohren,
höre hin, wo keine Klänge
sind.
Begegnest du
Skulpturen,
was wäre deren
Standort ohne sie?
Packt dich ein
Theaterspiel,
zieh‘ den Vorhang zu,
und verlier‘ dich hin
zur Bühne.
Wo immer Kunst den
Geist berührt,
umkreist sie jene
Stille,
die alle Grenzen
sprengt,
da sie selber keine
kennt.
(30.01.15)
15.08.2013
Bitte - noch ein Bier!
Er schiebt sein Leben anderen in die Schuhe.
Alle Klage, den Widerstand, die Fragen seiner Tage.
Wenn sie ihn nur liessen und förderten nach Kräften.
Ihn, der in vielem Meister ist, verkannt in seiner Grösse.
Der er doch Bescheid weiss, besser als die andern,
bäumt sich auf, gegen das Zerbrechen:
Tausend Worte in die Luft verpufft und keine Taten.
Alle Klage, den Widerstand, die Fragen seiner Tage.
Wenn sie ihn nur liessen und förderten nach Kräften.
Ihn, der in vielem Meister ist, verkannt in seiner Grösse.
Der er doch Bescheid weiss, besser als die andern,
bäumt sich auf, gegen das Zerbrechen:
Tausend Worte in die Luft verpufft und keine Taten.
Um nicht nackt vor seinem Spiegelbild zu steh‘n
muss er als Fremder durch das eigene Leben geh‘n.
Setzkastenköpfe
Für die Katholischen bin ich zu wenig römisch. Für die Evangelischen nicht
genügend reformiert. Die Rechten orten mich links, die Linken sehen mich rechts.
Den Gläubigen bin ich zu atheistisch und den Atheisten zu religiös. Einige Mönche
bewundern die spirituelle Konsequenz, standesbewusste Brüder ärgern sich, dass ich
ungebunden eine Kutte trage. Halten mich die einen für anmassend, so loben
andere die Bescheidenheit. Pragmatiker belächeln den Idealismus und Idealisten
stört mein Realitätsbezug. Diese lieben die klare Sprache, jene hassen mich
dafür. Flauen bin ich zu ideologisch und die Ideologen verstört, dass da einer
unfallfrei die Sicherheitslinien überfährt. Was zum Teufel schert mich die
Meinung jener Leute, die nur nach der Bestätigung ihrer Werteskala suchen?
28.06.2013
Wanderschaft
Du fragst nach „deinem Weg“? Du stehst auf ihm. Er verläuft weder irgendwann
noch woanders. Du gehst ihn genau jetzt und er führt auch heute durch Licht und
Schatten. Oder suchst du nur Ausreden, um Veränderungen auszuweichen, ziehst dein Selbstwertgefühl aus Theorien statt aus Taten? Willst du der
Wirklichkeit begegnen und nicht nur jenen Wahrheiten, die dir in den Kram passen?
Bist du sicher, dass du keine verklärenden Gedankenspiele betreibst, in denen du eine Illusion deiner
selbst erfindest und zu leben suchst? Selbsterkenntnis ist schonungslos, setzt ein
„Selbst“ voraus und genügend Bescheidenheit, um dieses wahrnehmen zu können.
Wähnst du hingegen, schon alles zu wissen, durchgeplant, dann ist kein Raum in dir für Neues und die gescheiten Fragen versinken in dummen Antworten.
17.06.2013
Gänseblümchenblues
Hast du Geld, bist du frei - und abhängig vom Geld.
Hast du keines, bist du frei - und abhängig von anderen.
Und liegst du dazwischen – so hängst du an beiden.
Und liegst du dazwischen – so hängst du an beiden.
Ist das die Freiheit, die du mir verkaufen willst?
Wählen zu dürfen, wer mich gefangenhält?
13.06.2013
Mittelzeit
Verändern können, wenn sie wollen, die Jungen mit den Alten. Die in der Mitte sind besetzt, sie verbiegen und verwalten.
„Scheiss-Christentum …“
... steht da in einem Eintrag auf Facebook zu lesen. Nicht nur „Gott“ hat vier
Buchstaben, auch „Neid“, „Gier“ und „Geld“ gehören dazu. Meint die Schreiberin
das Christentum, die Christen und jene, die sich dafür halten oder es durch
ihre kulturelle Herkunft sind? Die Religionen wurden zu
jeder Zeit von Interessen Einzelner unterwandert. Das verletzt sie aber
nicht im Kern, es sei denn, Gier, Neid und Geld hätten Geist und Ideal
zerfressen. Schuld ist nicht das Medium, sondern die Menschen, die es nutzen
und verhunzen. Die Konsumreligionen unserer Tage halte ich für gefährlicher,
als alle alten Weltreligionen zusammen. Letztere verfolgen zumindest in
Gedanken ein Ideal, das wandelbar und frei zu interpretieren ist; falls wir das
Denken nicht aufgegeben haben. Dagegen schaffen die neuen Plastikgeld-Lehren nur
Gesinnungslumperei, mehr Mitmachzwang, Leistungsneurosen, Machbarkeitswahn, endlosen
Entscheidungsnotstand und überdrehte Sklaven des ständigen Geplappers auf allen Medien. Ihre
Propheten und Evangelisten verkünden, dass aus den abnehmenden Grundlagen für
alle die grenzenlose "Selbst"-Verwirklichung zu schaffen sei. Auf die
Knie, ihr Frommen, in den Bildschirm beten, den Bankomaten bumsen und beim
Lecken den Arsch der Werbung nicht vergessen! Vergebung gibt’s im Shop gleich
nebenan. (2011)
11.06.2013
„Man lässt mich nicht …!“
Keiner schenkt dir Freiheit. Also baue sie dir. Dazu solltest du mehrere
Wege kennen, nicht nur deinen, und eine sachliche Selbsteinschätzung haben. Betrachte
vor allem dich selbst sehr kritisch, aber auch deine Umgebung. Gute Beobachtung lehrt
dich mehr als tausend Worte. Lerne zu unterscheiden. Was sehe ich? Was ist es
wirklich? Was sagt es mir? Du wirst so auf frei denkende Menschen stossen, die
dich auf deine Fähigkeiten hinweisen, dir oft näher stehen, als du dir selbst.
Weite den Blick für neue Räume, die du mit etwas Mut betreten kannst. Wirst du
fündig, entscheide dich. Zwar schlägst du damit einige Türen zu, was aber genauso
geschieht, wenn du den Schritten ausweichst. Nun lege das Ja, zusammen mit
deiner Genialität und deinem Ungenügen, in nur eine der beiden Waagschalen.
Mach‘ den ganzen Schritt, keinen halben. Etwas Angst gehört dazu, ohne sie
wächst kein Mut. Wer so handelt wird klar, erkennbar, bietet Angriffsflächen. Du
wirst neue Fragen haben, dich anderen Gefahren stellen und dafür die
Verantwortung alleine tragen. Zögere nicht: Ohne Verantwortung ist Freiheit
nicht zu haben. Wenn du kämpfen musst, dann niemals „gegen“, sondern immer „für“
etwas. So wirst du zu dem, der du bist und sein wirst. Verläufst du dich in Sackgassen,
mache daraus Kreuzungen und erkunde andere Wege. Manch einer wird dich
belächeln, gar verspotten; genau dann bleibe dir treu, bewahre was deinem Geist
entspringt und dein Herz bewegt, ohne Gewinn- und Leistungsdenken. Und lerne die
wenigen Freunde schätzen, die dies auch wirklich sind. Mit ihrer Liebe im
Rücken schaffst du diesen Weg.
08.06.2013
Irrliebende Mütter
Sie liebt ihn, solange er ihrem Bild entsprechend
lebt und ihr sagt, was sie zu hören wünscht. Fordert sein Verständnis, wenn sie
ihn nicht verstehen will, verlangt Dankbarkeit, Respekt und Enkelkinder, auf
dass ihre grosse Seele gefüttert werde. Ihre Tränen soll er trocknen, mit denen
sie ihn erpresst, wenn sie die Haltung verliert, wie fast immer. Er möge
gefälligst ihre Träume erfüllen, damit sie den Freundinnen etwas zu erzählen
hat, denn ohne deren Bestätigung wird ihr gläserner Stolz zum Scherbenhaufen.
Sie habe doch alles gut gemacht, sagt sie zum eigenen Trost, zumindest gut
gemeint, während ihre Selbstbezogenheit die Familie zermalmt. Er aber möchte
sie zum Freunde haben, ausserhalb der Rollenspiele. Sie lehnt ab, will die
Mutter bleiben, weiter im Theaterkostüm daher spazieren, hat Angst vor dem
prallen Leben. Er stellt sich echte Freundschaft vor, ohne Kitsch, Bedingung
und Moralgeschäft, während sie ihn sogleich beschuldigt, ihr Bedingungen zu
stellen. Sie verwässert jeden klaren Austausch, jammert, weicht aus, muss
dagegenhalten, gewinnen, kann ihren Bildern nicht entrinnen. Ihr 22-jähriger
befände sich in der Pubertät, klagt sie rundherum, verkündet jene halbe
Wahrheit die sie kennt, suhlt sich im Leid und lässt sich trösten. Schuld an
ihren Qualen seien ihr Sohn und dessen Freunde. Die Engel schweigen. „Ich bin
der Weg, die Wahrheit und das Licht“, haucht ihr Esoterikglaube, und sie findet
die Türen nicht.
Dabei ist die Lage einfach: Der Sohn möchte zur
Wirklichkeit, die Mutter klammert sich an Formeln und Lebenslügen. Er sucht
nach Freiheit und sie mutet ihm zu, dass er ihr überangepasstes Angstleben
teilt. Da er nicht auf sie hört, zweifelt sie, ob sie so mit ihm noch verkehren
wolle, beweint ihre verletzte Mütterlichkeit, die verlorene Macht, die
Erfolglosigkeit ihrer Matronen-Diktatur. In dieser Ecke des Lebens ist die
Einsamkeit grenzenlos: Mütter die am Anspruch scheitern, ihre Familien perfekt
darzustellen und nicht fähig sind, ihre Kinder loszulassen. So erwächst den
Familien eine kollektive Verlogenheit, die alle Beteiligten bis zum Lebensende
umklammert. Und dafür soll der Junge sich nun opfern und es weiterführen?
Widerlich.
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