Noe 29 – Gott und der Tellerrand
Etwas fahrig
begründete ihm der Besucher, weshalb er Gott verstiess und Religion für sinnlos
hielt. Noe hatte damit keine Mühe, im Gegensatz zu seinem fiebernden Gast. Für eine
Erwiderung brauchte Noe Zeit. Er bat den Aufgewühlten, innezuhalten, um vor dem
Haus gemeinsam den Geräuschen der Nacht zu lauschen. Sie hörten das Wispern der
Bäume im warmen Wind, aufgeschreckte Vögel hier, knackende Äste dort und
summende Insekten. Behutsam brach Noe das Schweigen: Um Gott zu suchen, hob er
an, müsse keiner an ihn glauben. Gott sei eine Frage, nicht beweisbar mit Antworten,
die ihn nur klein und absehbar machten. Sie lägen beide so falsch wie richtig, wenn
sie gegenseitig Gott behaupteten oder widerlegten. Dieser könne so mächtig sein,
wie ohnmächtig oder gar nur das Geschöpf der menschlichen Wünsche. Nehmen wir
an, fuhr er fort, die Menschen hätten Gott als eine Art Fluchtpunkt gesetzt, ausserhalb
des Tellerrandes, den sie kaum je überblickten, erfüllte er schon dadurch seinen
Sinn, dass er die Ausdehnung des Denkens in unbekannte Räume ermöglichte. Viele
Gläubige aller Kulturen hätten, mit Blick auf ihr Gottesbild, grundlegende
Gedanken hinterlassen. So teile er, was einst ein anderer schrieb: „Wenn es
Gott nicht gäbe, müsste man ihn erfinden“. Und Noe zitierte den Meister der
Christen, „…mein Reich ist nicht von dieser Welt“, dabei würde er selber
bleiben, bis er wisse, was diese wirklich sei.
13.08.16