31.08.2012

Grenzen los

Er fand in mir Gedanken,
die ich längst verloren glaubte,
eingekeilt in enge Schranken,
die der Alltag um sie baute.

Munter hielt er mir den Spiegel vor,
ich sah den jungen Wilden alter Zeit,
stand unversehens vor dem Tor
zum Atem der Vergangenheit.

Diese folgte meinem Leben,
ob ich wollte oder nicht,
ich hab‘ ihr längst vergeben,
fand aus Dunkelheit zum Licht.
(f.mw)

20.08.2012

Noe 23 – Bilderbogen

Noe wurde verlegen, wenn man ihn zu seinem Glauben an Jesus befragte. Seine Antwort darauf geriet umständlich und ungefähr. Viele Wissenschaftler gingen von einem geschichtlich bezeugten Jesus aus, nur, waren die Belege dafür nicht allzu brüchig? Noe hatte sich auf seinem Weg zur Mystik von dieser Frage längst getrennt. Mit der Zeit gelangte er zu einem unscharfen, mehrdeutigen Christusbild, mit dem er liebevoll streiten und leben konnte. Es begleitete sein Handeln wesentlich und diente ihm als Richtschnur. So verlor er sich nicht in den Weiten der Glaubenswelten und sein Bild folgte der Sicht, wonach die Religionen wahre Inhalte vermitteln konnten, wie auch unwahre und vor allem als Werkzeuge der Seelenkultur dienten. Noe verstand sich als Christ, kannte die Texte, bezweifelte sie gründlich und fühlte sich wohl damit - zum Ärger jener Aufrechten, die alles was sie glaubten, zu wissen meinten und vorzugsweise mit Worten des Apostels Paulus um sich schmissen. Wer aber war dieser Paulus? Wie hiessen die Autoren seiner Schriften und war er ein blindgläubiger Oberjünger oder ein begeisterter Himmelsstürmer? Noe mochte Paulus nicht. Aus dessen Briefen flüsterten Anmassung und Unterwürfigkeit zugleich. Verkündete hier ein von Sehnsucht verzehrter Jünger seine Wahrheit als allgemeingültige Wirklichkeit? Noe war ein Gründermensch und das Geschnatter übereifriger Jünger beeindruckte ihn noch nie.

19.08.2012

"Wie geht's" ...

"Danke, gut!" … erwidert er, denkt an die gescheiterten Kommunisten, an die von Krise zu Krise taumelnden Kapitalisten, den sich auftürmenden Schuldenvulkan, die irrwitzige Gelddruckerei der Banken, die zunehmend lebensfeindliche Arbeitswelt und an versiegende Quellen des Wachstums, von denen sie glauben, sie würden ewig reichen. Diktaturen gibt es immer noch, während Demokratien in der Informationsflut der Ziellosigkeit verfallen. Verstörte Bürger brennen sich selber Tausende neuer Gesetze auf die Haut und die neuen Vögte beherrschen die Menschheit, nicht Ländereien. Während sich unüberschaubares Wissen aufbaut, verkümmert das Denken. Kriege wüten überall, sichtbar oder nicht, der wuchernde Materialismus erstickt gute Zukunftsideen im Keime. Eine verlogene Eigenständigkeit wird zum Massensport, so dass jede Bewegung in Eigensucht erstarrt. Erfolg um jeden Preis, Gier, Neid und Nabelschau. Herausforderung, Strategie, Kriegsvokabular im Alltagsleben und die Liebe wird kompliziert. Zündende Aufbrüche gibt es nicht, die gemeinsame Angst treibt wundersame Blüten, dem Wort „Idealismus“ erwächst ein verächtlicher Klang. "Danke, gut!" … sagt er, geht seines Weges und fragt sich, ob Optimismus aus dem Pessimisten wachse oder nur die Augenbinde der Feiglinge sei.