11.09.2015

Ora et labora?

Es sind nicht zwingend religiöse Gründe, die einen Menschen ins Kloster führen. Auch die Erkenntnis, dass in unserer Gesellschaft das Materielle alles Leben knechtet, statt ihm zu dienen, reicht dafür aus. Keiner will das und alle machen mit. Der Ausstieg aus diesem Tunnel verlangt Entschiedenheit. Ankämpfen, also vom Gegner weiter mitbestimmt, oder sich entziehen? Grosse Ordensgründer stellten sich diese Frage auch in ihren Tagen und wandten sich angewidert ab von der Gier ihrer Zeit. Sie verweigerten das Spiel, suchten den Geist und neue Wege, weit über ihr Leben und Bedürfnis hinaus. Ich kenne Mönche und Nonnen, denen Religionen, Rituale und Kirchen nur als kulturelle Werkzeuge dienen, als rückwärtige Bezugspunkte, um sich im Neuland nicht zu verlaufen. Den Traum vom ewigen Glück nach dem Tod teilen sie nicht. Sie haben ein Leben voller Zwänge hinter sich gelassen und werden sich keinem neuen Druck mehr beugen. Sie üben die Freiheit, die durch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen gewählter Selbsteinschränkung und freier Entscheidung möglich ist. Solche Menschen können die Welt verändern, weil sie ihr nicht hörig sind. Die Kirchen misstrauen ihnen zutiefst, obwohl an ihren Anfängen solche Leute standen. Diese aber finden sich in bester Gesellschaft: Abgesehen von Jesus und vielen anderen, gab es da die Wüstenväter, Benedikt von Nursia und Franz von Assisi. Ein tiefer Blick zurück in die Geschichte kann durchaus in die Zukunft weisen.
09092015