05.08.2011

Götterei eins

Gibt es Gott? Ob ja oder nein, keine Antwort ist beweisbar. Gäbe es ihn nicht, bräuchten wir keine Fragen mehr zu stellen. Gingen wir davon aus, Gott lebte auch nur in weitestem Sinne, dann müsste er unsere Erkenntnisfähigkeit übersteigen. Beides können wir nicht wissen, aber glauben. Der Glaube an eine göttliche Existenz schafft mehr Aussichten als die gegenteilige Annahme. Denn ob es Gott gibt oder nicht, die Suche nach ihm erweitert die Geisteswelt, öffnet Raum und Zeit weit über das selbstversicherte „Ich“ hinaus. Gott-sucher leben von den Fragen, der Weg ist ihr Ziel. Das erfordert Gegenwärtigkeit jetzt und nicht irgendwann. Das Unbedingte zeigt sich geradewegs im Zeitpunkt, den wir soeben erfahren. Über einen anderen Blick verfügen wir nicht. Göttliches Wirken wäre demnach mit geschärfter Wahrnehmung im Alltag zu erkennen, in Begeben- heiten, Begegnungen, innerer Stille und allenfalls in Ritualen, die helfen können, die Leere zu bereiten: Den Raum für die Berührung. Da dem Menschen meist die eigenen Entwürfe im Wege stehen, müssen wir den Blick nach aussen frei räumen. Damit wird sich schwer tun, wer  zuviel nach sich selber fragt und sich als Mitte seines  Lebens sieht. Wer aber lernt, sich als ein Teil des Ganzen zu verstehen, entdeckt ein Wirken und Gewebe, welches mit eigenen Wünschen nicht zu erreichen wäre. Sich diesem hinzugeben, verbindet das persönliche Dasein mit dem umfassenden Leben ringsum. Da hinein sich auszuliefern, fallen zu lassen, ist das eine, persönliche Einschränkung und weniger Bedürfnisse zu haben, das andere. In unseren Gegenden sind die meisten Bedürfnisse Trug- bilder, die wir nicht hätten, wenn wir zufrieden in uns selber wohnen könnten. „Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach“: Meist scheitert der Pfad zum Wesentlichen an der eigenen Disziplin. Sie sollte nicht äusserlich auferlegt sein, sondern dem Sehnen nach verbindlichem Leben entspringen, das den unsteten Zeitgeist in der Absicht umgeht, sich dem inneren Frieden anzunähern. Solchen Menschen öffnet der Geist die Bereitschaft sich zu verschenken, dem selbstverliebten Treiben entfliehen und dem alles überspannenden Ganzen dienen zu wollen. Das geschieht in einer Entscheidungs- freiheit, die aus tiefstem Herzen rührt. Der schmale Weg dahin ist nicht markiert, das Vertrauen in dich selbst und in den einen Fluss des Lebens, dem du zugehörst, wird dich führen.