18.04.2010

Noe 13 - Der Knabe und die Mönche

Noe war ein gläubiger Knabe. Sein Gott war nicht dreifaltig und hatte einen Bart. An ihn wandte er sich, wenn er alleine war. In Jesus sah er nicht Gott, sondern den mutigen Menschen und Bruder. Niemand wusste von Noe's stiller Welt, er behielt sie lückenlos für sich. Als seine Eltern erwogen, ihn, den 13jährigen, in die Klosterschule zu schicken, verhinderte er dies mit aller Kraft. Sein grösstes Geheimnis wäre offenkundig geworden und dafür war er zu scheu. Anderseits trugen im Kloster die ihm gleichaltrigen Schüler schon richtige Kutten und waren am Klosterleben beteiligt. Dieser Gedanke führte ihn regelmässig auf eine betörende, traumtänzerische Reise durch seine Tiefen. Zerrissen von Sehnsucht und Trotz. Obwohl er nicht wollte, wäre er zu gerne dorthin gezogen und – vielleicht geblieben. Durch die ganzen Schleifen seines Lebens begleitete ihn diese Glut. Manchmal loderte sie auf, wurde zum Feuer und er vernahm in sich die wehmütigen Rufe seines verbannten Klosterbruders. Ihm konnte er sich nicht entziehen. Auch nicht mit seinem zähen Kampfgeist und der unbändigen Freiheitsliebe. Ein solcher Ruf verzauberte Noe gleichermassen, wie er ihn verängstigte. Inzwischen hielt er tausend Ausflüchte dagegen, obwohl er wusste, dass mit Vernunft kein Schritt in diese Richtung jemals zu begründen war. Noes Gefühle gerieten in Aufruhr, wenn er vor einem bewohnten Kloster stand oder auf der Strasse einem jungen Mönch begegnete. Sein Blut stockte in den Adern, das Gefühl der Unzulänglichkeit übermannte ihn, die Augen verloren sich im dargebotenen Bild und begannen zu schimmern. Als er längst erwachsen war, betrat er, auf seine Weise und in vollendeter Widersprüchlichkeit, den Weg zum Mönch, auf dem er sich schattenhaft ohnehin schon längst befand. Nun aber schritt er wach und klar voran, wie nie zuvor.