Wo Seba lebte, lernten junge Männer anständige Berufe, drückten sich nicht vor dem Militärdienst, trugen einfache Namen nach den Bräuchen der Familie und fast jeder war früher Messdiener. Eines Mittags stand Seba jenseits der Mauer bei der Kapelle und Noe diesseits im Garten seines Hauses. Seba war von hohem Wuchs, etwa zwanzig Jahre alt, schlank, ein Blondschopf mit offenen Augen und hatte starke aber feine Hände. Er habe früher, so erzählte er, einmal den Gedanken gehabt, vielleicht Priester oder etwas in diese Richtung zu werden. Dieses Leben und die Arbeit mit den Menschen hätten ihn angezogen. Er wäre wohl zu dumm gewesen für diesen Weg, beschloss er seine Worte. Diese unverblümte Aussage schien so selbstverständlich, dass sich Noe für Seba gegen dessen eigenes Urteil auflehnte. Lange Zeit danach, hob Seba mit dem Gabelstapler ein grosses Eisen-Kunstwerk über den hohen Zaun um Noes Garten. Dieser verfolgte gebannt, wie wachsam Seba die haarfeinen Bewegungen vollführte. Ein andermal schleppten sie gemeinsam eine schwere Kiste vom Dachboden nach unten. Darin lag die frühere Madonna aus der Kapelle, die vor Jahren einer restaurierten Muttergottes weichen musste. Seba hatte sie noch nie gesehen. Einmal mehr sah Noe diese Aufmerksamkeit und fühlte Seba's leisestolze Ehrfurcht vor dem alten Standbild. Denn es barg in sich das eingehauchte Leben seiner Vorfahren, die alle ihre Freuden und Leiden davor niederlegten. Als für Seba die Zeit der Meisterprüfung kam, schrieben sie zusammen an seiner dicken Schlussarbeit. Immer wenn Noe zu einem Satz anhob, hängte Seba in dessen Mitte ein und vollendete ihn. Dabei versprühte er ein Wissen, welches Noe betreten verstummen liess. Er war schon aus den Bergen ins flache Land gezogen, als Seba ihn besuchte. Ganz am Rande erwähnte Noe, dass er nicht wusste, wo er sein Alter verbringen würde. Seba entgegnete ihm, er solle sich darüber nicht den Kopf zerbrechen, die Häuser bei ihnen wären gross genug. Inzwischen hatte Seba seine Frau gefunden, von den Eltern den Hof übernommen und war Vater geworden. Und Noe wusste um einen verschwiegenen Freund, der zu gescheit war, um gescheit daher zu traben. Er hatte von Seba weit mehr gelernt, als jener von ihm erhalten hatte und Noe wusste nun, was "Heimat" war.
(Seba hiess in Wirklichkeit anders)