21.04.2010

Trip und Flucht

(Gesprächsnotiz)
Ich kenne all' dieses Zeugs seit 45 Jahren. Was habe ich mir schon angehört, wie LSD und andere Mittel das Bewusstsein erweitern würden. Bisher traf ich niemanden, auf den diese Aussage zutraf. Eher verschob sich die enge Sicht woanders hin und wurde dort noch schmaler. Schon vor Urzeiten hätten sich Naturvölker auf diese Weise berauscht, erfuhr ich dann. Blödsinn. Die lebten in völlig anderen Kultur- und Zeitumständen, in denen sie ihre Menschen unter Anleitung und mit langen Ritualen auf eine Seelenreise führten. Nach einem oft wochenlangen Prozess konnte der Schluss der Reise aus einem Drogenerlebnis bestehen. Wir Zeitgeistmenschen wollen in billiger Anbiederung diesen tiefgreifenden Vorgang nun ersetzen, in dem wir in die Sonne blinzeln, uns naturnah schwatzen ohne es zu sein, Musik unterlegen und einen Trip schmeissen. Das Bild spricht Bände, womöglich sind wir auch noch mit dem Auto hingefahren. Die Indianer rundeten eine Sicht, die sie lebten. Wir aber schlucken unser Ding und kehren danach zur alten Bezugslosigkeit zurück. Die meisten Konsumenten "bewusstseinserweiternder" Drogen sind biedere und ängstliche Kleinbürger, die zu umgehen suchen, was sie anpacken müssten. Sie schaffen weder Neues für sich, noch für andere. Sie folgen dem Strom und verkünden so nicht einmal das Gegenteil des Schongehabten, geschweige denn ein gesellschaftliches Signal. Sie sind entweder nur konsumgeil und um 50 Jahre verspätet oder sie durchlaufen die Wirren der jugendlichen Wer-bin-ich-Zeit. Wer tatsächlich andere Wege finden will, stellt sich mit klarer Wahrnehmung der Wirklichkeit. In ihr lässt sich ohne Hilfsmittel Vergleichbares nachhaltiger erleben. Mit kleinkarierter Feigheit und grosskotzigen Sprüchen ist das nicht zu machen, aber mit Mut. Dieser wächst aus der Überwindung der Angst. Nicht aus einem Trip.