31.03.2010

Noe 10 - Vorschlafbaumeln

Mit der Zahl der Lebensjahre wuchsen Noes Vorbehalte gegenüber seinen eigenen Worten und Gedanken. Obwohl sie immer klarer wurden und entschiedener, öffneten sie ihm Welten, die er keineswegs besser verstand als jene, die er früher durchschritten hatte. So verfielen seine neuesten Erkenntnisse, kaum geboren, zu Randnotizen. Mit der Lebenssicherheit spross auch der Zweifel. Noe jagte nicht mehr allem hinterher, hatte Zeit, den Dingen nachzugehen. Statt Klarheit erhielt er neue Fragen. Manchmal sehnte er sich nach der religiösen Festigkeit einiger seiner Freunde. Gerne hätte er sie geteilt, um der aufdämmernden Vergeblichkeit des Lebens zu entfliehen. Er musste Sinn schaffen, während sie ihn einfach hatten. Noe erlag zuweilen einem fast faustischen Erkennenwollen. Aber es führte ihn nicht in jene Weite, welche das All des Unbedingten zu versprechen schien. Dieses nämlich bot Geborgenheit und Ruhe und den einen Pulsschlag ausserhalb der Fassbarkeit. Er fand diese Ruhe nicht. Zudem wusste er, dass sich alles für ihn Wichtige nicht in Worte kleiden liess. Und doch erzählte er viel und gerne, hoffte, auf diese Weise lebendige Zwischenräume zu schaffen, obwohl ihn danach die absehbare Reue meist zerfrass. "Dass uns der Weg das Ziel sein müsse …" begann er schlaftrunken zu murmeln, bedankte sich im Leisen, wohin genau wusste er nicht … und dabei schlief er ein.