26.03.2010

Spiegelnackt

Sie teilen ein in "gut" und "böse". Suchen verstört nach Wahrheit, hängen sich an Strohhalme, die vom Fuder purzeln, folgen unstet jeder neuen Strömung und den Heilspropheten. Sie bewerten religiösen Wahnsinn aus Geschichte und Gegenwart nach dem aktuellen Stand der eigenen Leistungsneurose. Die einen rutschen auf den Knien, andere halten sich ihren Privat-Indianer, wieder andere zaubern mit Zeichen und Symbolen, pendeln, legen Karten und sehen hell. Oder sie tippeln von Energieort zu Energieort bis an den Rand des Irrsinns. Sie meinen steuern zu können, was grösser ist als sie, verwechseln ihre kleine Welt mit dem Allumfassenden. Ich frage mich, weshalb diese Menschen sich nicht aushalten? Einige Stunden, nackt und leer, vor dem Spiegel stehen und nichts anderes tun, als sich selber anzuschauen; da stünden sie am offenen Tor und die irrwitzige Nabelschau fände ein Ende. Überlebenstricks sind legitim und ungefährlich, so lange man weiss, dass es welche sind.

(Es gibt Menschen mit erstaunlichen Gaben. Einigen bin ich begegnet. Gemeinsam war ihnen allen eine auffallende Bescheidenheit, keine kommerzielle Verwertung ihrer Anlage, äusserste Zurückhaltung bis hin zur Verleugnung ihrer Fähigkeiten vor anderen Leuten.)